Schon seit Wochen plagte die 71jährige Richter eine Fußverletzung, so dass an ein gezieltes Training in der Vorbereitung nicht zu denken war. Aber die zähe Kämpferin Richter wollte es unbedingt versuchen, schließlich zählte die Unionerin zu den Favoritinnen im Hochsprung. Bevor sie jedoch ihre Spezialdisziplin in Angriff nehmen konnte, standen die 100m auf dem Programm. Da sie auch zum Team der nationalen Staffel gehörte, sollte dies auch ein Belastungstest für den verletzten Fuß werden. Im ersten von zwei Vorläufen lief sie mit schmerzverzerrten Gesicht als fünfte in 18,46 Sekunden über die Ziellinie. „Kurz nach dem Start wollte ich schon aufgeben. Auf den 200m Lauf in vier Tagen werde ich definitiv verzichten, Vielleicht kann ich ja durch Physio und Ruhe noch ein kleines Wunder herbeizaubern“, ihr Kommentar.
Als es gut eine Woche später zum Hochsprung ging, hatte sich der Zustand noch nicht wesentlich gebessert, doch sie wollte es versuchen. Durch starke Schmerzen gehandicapt überwand Renate Richter 1,03m und wurde sechste. Sichtlich enttäuscht kommentierte sie das Ergebnis: „Ich gönne es der Britin Caroline Marler und der Spanierin Lluïsa Casanovas-Gaset von Herzen (beide wurden bei Höhen- und Versuchsgleichheit von 1,12m Weltmeister), doch im gesunden Zustand wäre ich mit im Kampf um den Titel gewesen“. Bei ihrem Hallen EM Titel im Frühjahr 2022 war sie 1,20 gesprungen.
Am Schlusstag der Meisterschaft wollte sie unbedingt im 4X100m Team ihren Beitrag leisten und das sollte gelingen. Eigebettet im starken Team Germany, musste man nur Gastgeber Finnland und Great Britain and Northern Ireland den Vortritt lassen. In 1:10,73 Min. hatte das Quartett mit der Salzgitteranerin Renate Richter Bronze gewonnen. Und nun konnte Richter trotz Schmerzen wieder strahlen.
Mas/ Manfred Spittler